Vielleicht klingt es erst mal wie ein Widerspruch: spirituelle Psychologie. Wie lassen sich zwei so komplett unterschiedliche Ansätze, einer beruhend auf Wissenschaft und der andere beruhend auf Mystik, so gut miteinander kombinieren?

Während die Psychologie versucht, alles messbar zu machen, interessiert sich Spiritualität für den tieferen Sinn. Und genau das macht es so attraktiv, die beiden Ansätze zu vermischen. Messen ist gut, Bedeutung ist besser. Denn was bringt uns als das Messen unseres „Menschseins“, wenn wir außer Acht lassen, was es für uns überhaupt bedeutet, Mensch zu sein? Damit meine ich, Dingen Bedeutung zuzuschreiben, die sie möglicherweise gar nicht haben – und das meine ich im positivsten Sinne. Die Frage, ob es Gott gibt, eine höhere Macht, ein Leben nach dem Tod, die Frage nach dem Warum von tragischen Ereignissen, oder das Integrieren von Routinen in unser Leben. Beten, Meditieren, Räuchern, Blumen an die Gräber unserer geliebten Verstorbenen legen. All das sind für uns bedeutungsvolle Rituale. Weil wir uns dazu entschieden haben, alldem Bedeutung zu geben.

Und die Psychologie interessiert sich dafür, wie, wann und warum wir das tun. Und ob es unser Wohlbefinden beeinträchtigt oder stärkt. Psychologie ist die wissenschaftliche Untersuchung des menschlichen Verhaltens und der mentalen Prozesse. Sie deckt ein breites Spektrum an Themen ab, von der kognitiven Entwicklung bis zur sozialen Interaktion.

Aber was passiert, wenn wir die spirituelle Dimension des menschlichen Lebens in diese Gleichung einbeziehen? Die spirituelle Psychologie kombiniert psychologische Konzepte mit spirituellen Überzeugungen.

Was erforscht spirituelle Psychologie?

Im Kern zielt die spirituelle Psychologie darauf ab, das Wohlsein des Einzelnen auf einer tieferen, spirituellen Ebene zu verstehen und zu fördern. Es geht nicht nur um die Heilung von psychischen Störungen oder das Verstehen von Verhaltensmustern. Vielmehr geht es um die Suche nach einem höheren Sinn im Leben und die Integration dieses Sinns in die alltägliche Erfahrung.

Es ist wichtig, hier zwischen Spiritualität und Religiosität zu unterscheiden. Manchmal hängen die beiden zusammen, aber das ist nicht immer der Fall. So gibt es New Age Spiritualität, die Gott als omnipräsent versteht. Das bedeutet, anstatt dem einen Gott, hängt alles miteinander zusammen und ist ein göttliches Ganzes. Es gibt aber auch Atheisten, die sich nicht auf Gott beruhen, und Rituale in ihr Leben integrieren, die sich auf Bedeutung im Hier und Jetzt stützt.

Spiritualität, das ist unser inneres Leben, unsere Werte, die Bedeutung, die wir dem Leben zuschreiben. Religiosität kann ein Teilaspekt davon sein, muss es aber nicht.

Während Spiritualität eine persönliche Beziehung zu einer höheren Macht oder einem universellen Prinzip darstellt, ist Religiosität eher institutionell und folgt bestimmten Glaubenssätzen und Praktiken.

Spiritualität und Religiosität haben unterschiedliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Zum Beispiel kann eine starke spirituelle Überzeugung als Puffer gegen Stress dienen, während übermäßige Religiosität zu Schuldgefühlen und Angst führen kann.

 

Lassen sich Spiritualität und Psychologie miteinander vereinbaren?

Die Vereinbarkeit von Spiritualität und Psychologie ist komplex, aber faszinierend. Beide Felder erkennen die Bedeutung von Sinn und Zweck im Leben an. Spirituelle Praktiken wie Meditation können und werden auch in der Psychotherapie angewandt.

So integrieren mittlerweile immer mehr therapeutische Ansätze Achtsamkeit, Atemübungen, Yoga und Meditation. Psychotherapien erkennen die Wirksamkeit vom innehalten und mit neuen Technologien wie Brain Scans ist, was Meditierende schon immer gesagt haben, die Wirksamkeit nun auch messbar.

Es gibt viele interessante Themengebiete innerhalb der spirituellen Psychologie. Dazu gehören transpersonale Erfahrungen, die Zustände des erweiterten Bewusstseins und ihre Auswirkungen auf die psychische Gesundheit untersuchen. Achtsamkeit und Meditation sind weitere Schlüsselbereiche, die zeigen, wie diese Praktiken zur Verbesserung der mentalen Gesundheit beitragen können. Ein weiteres wichtiges Thema sind spirituelle Krisen, die oft als „dunkle Nacht der Seele“ (Dark Night of the Soul) bezeichnet werden. Das Verständnis und die therapeutische Behandlung von solchen Krisen können für die psychische Gesundheit entscheidend sein.

Spirituelle Psychologie fördert eine ganzheitliche Herangehensweise an die menschliche Erfahrung. Sie erweitert die traditionelle Psychologie, indem sie spirituelle Elemente einbezieht, um das Wohlsein auf mehreren Ebenen zu fördern.

Für diejenigen, die mehr erfahren möchten, sind Bücher wie „The Psychology of Spirituality“ von Larry Culliford oder „Transpersonal Psychology: Integrating the Spiritual and the Scientific“ von Charles T. Tart zu empfehlen.

Die Wissenschaft lernt und entdeckt immer wieder neue Zusammenhänge, während die Spiritualität sich auf Erfahrungen stützt. So gibt die Spiritualität immer wieder neue Inspiration, die Forschung und Erkenntnis vorantreibt.

Manipulation, Schwarze Schafe, Pseudowissenschaft

Leider gibt es ganz besonders in Bezug auf spirituelle und religiöse Überzeugungen, schwarze Schafe. Die Suche nach dem Sinn des Lebens kommt oft in Zeiten der Unsicherheit. Manchmal „fehlt etwas“ und Menschen versuchen, diese Lücke zu füllen. Das ist ein gefundenes Fressen für charismatische Psychopathen, die auf der Suche nach neuen Anhängern sind, um ihre Ideologie anzutreiben.

Es ist mir ein persönliches Anliegen, über solche Themen aufzuklären, um die spirituelle Erfahrung des Einzelnen zu würdigen. Spiritualität ist eine Erfahrung des Einzelnen und sollte auch so geachtet werden. Wir Menschen haben einen internen Kompass, der sehr wohl intuitiv spürt, was richtig und was falsch ist.

Damit meine ich nicht, dass wir keinen Anschluss von Gleichgesinnten suchen sollten. Gemeinschaft und Miteinander-sein ist unglaublich wohltuend und wichtig für uns als soziale Wesen. Aber es ist genauso wichtig eine Grenze zu ziehen zwischen der Gemeinschaft und uns, als autonome Wesen, die selbstwirksam Entscheidungen treffen.

Denn so gut Gemeinschaften auch sind, so kann Gemeinschaft uns auch zu Dingen verleiten, die wir als Einzelne nicht gutheißen. Psychologie der Massen von Gustave le Bon ist ein Klassiker auf dem Gebiet der Massenpsychologie. Gemeinschaften sind leichter zu manipulieren.

Darum ist mein Anliegen; Gemeinschaft ja, mit Grenzen. Wir benötigen auch keinen Führer, der uns darüber aufklärt, wie wir zu handeln haben, was wir zu denken haben oder welcher Weg der richtige für uns ist.

https://youtu.be/ZB5Zr9aP3ew?si=dWPRgNnuUjXFVaUE

Mit abschließenden Worten …

Die spirituelle Psychologie könnte für Psychologen und diejenigen, die an der Schnittstelle von Geist und Seele forschen, von großem Interesse sein. Sie bietet viele Möglichkeiten zur Erforschung und zum Verständnis der komplexen Beziehung zwischen Geist, Körper und Seele. Sie erforscht, was Sinn im Leben gibt, wie sich dieser Sinn auf den Einzelnen auswirkt und auch, was negative Effekte sein können. Wer von dem “Woohoo” von spirituellen Ansätzen genug hat, gleichzeitig aber auch von dem ultra-pragmatischem Ansatz der Wissenschaft gelangweilt ist, für den könnte spirituelle Psychologie ein interessantes Themenfeld sein, das es zu erforschen gibt.

Recommended Articles

X